Wer Solidarität mit dem Profi-Fußball fordert, argumentiert entweder populistisch oder ist naiv. Die Spieler eines Vereins aus der 1. oder 2. Liga sind fast ausschließlich Ich-AG’s. Solidarität mit Kollegen oder der Gesellschaft gibt es nur in Ausnahmefällen. Zwar ist die Corona-Pandemie ein Ausnahmefall. Aber wenn die DFL jetzt fordert, Geisterspiele auszutragen, geht es ihr nicht um den sportlichen Wettbewerb, sondern einzig und allein um Geld.
Mal angenommen, die Saison würde ohne Zuschauer zu Ende gespielt werden. Die Bayern werden wieder Meister und begießen zum Anlass der 300. Meisterschaft wieder mit Bier aus Gläsern, die mit GoPro-Kameras ausgestattet sind. Die Zuschauer an den Flachbildschirmen könnten live dabei sein und ausrasten. Alles wie gehabt. Oder nicht?
Genau: Die Zuschauer fehlen – vor allem die, die sich in den Armen liegen und gemeinsam den Abstieg von zum Beispiel Werder Bremen beweinen. Das darf es in Zeiten von Corona natürlich nicht geben. Deswegen fordert das Bündnis „Fanszenen Deutschlands“ nun folgerichtig, dass Fußball nicht ohne Zuschauer stattfinden darf.
„Eine baldige Fortsetzung der Saison wäre blanker Hohn gegenüber dem Rest der Gesellschaft und insbesondere all denjenigen, die sich in der Corona-Krise wirklich gesellschaftsdienlich engagieren. Der Profifußball ist längst krank genug und gehört weiterhin in Quarantäne.“ Der Fußball habe in Deutschland eine herausgehobene Bedeutung, heißt es weiter, systemrelevant ist er jedoch nicht. Die Forderungen des Bündnisses lassen sich auf eine einfache Formel bringen: Der Profifußball darf nicht als etwas Besonderes behandelt werden, sondern als Teil der Gesellschaft wie alles andere auch.
Dass diese Forderung ausgerechnet von Fußball-Fans stammt, ist an und für sich schon bemerkenswert. Sie zeugt aber auch von einem ausgeprägten Realitätssinn. Angesichts der exorbitanten Ablösesummen und Gehälter, die mittlerweile im Fußball gezahlt werden, ist die Frage erlaubt, ob die Leute noch alle Tassen im Schrank haben. Wenn der Fußball Solidarität einfordert, muss er erst mal wieder Teil der Gesellschaft werden. Damit ist nicht gemeint, dass er zurück in 50er-Jahre gebeamt und alle Kicker wieder Amateure sein sollen. Aber mehr Bodenhaftung täte diesem Sport und dem damit verbundenen Geschäft gut.
Und darin liegt die Chance in der Krise. Sollten die Ablösesummen runter gehen, die Spieler, ihre Berater und die Funktionäre der reichen Vereine, die Uefa und die Fifa zur Einsicht kommen, dass die Welt sich nicht um den Fußball dreht, wäre schon viel gewonnen. Die größte Macht liegt aber immer noch in den Händen der Fans.
Was bleibt, ist das Prinzip Hoffnung. Die Hoffnung darauf, dass durch die Corona-Pandemie die Einsicht entsteht, dass es auch ohne Fußball geht. Und dann steht der Fußball dumm da. Wer vermisst ihn jetzt wirklich? Siehste.
Doch darauf zu hoffen, dass Funktionäre oder Spieler im Profi-Fußballgeschäft demütig werden oder zu der Einsicht gelangen, dass es wieder nur um Fußball und nicht um Geld gehen muss, das ist wahrscheinlich genauso naiv wie auf Solidarität innerhalb der Branche zu hoffen.