Kolumne Abenteuer Atmung
400 bis 500 Leute haben in der Nacht auf Sonntag in der Stuttgarter Innenstadt randaliert und sich mit der Polizei gehauen. Letztere schließt eine politische Motivation für die Krawalle derzeit aus.
Was wohl richtig ist: Es waren anscheinend keine „gewaltbereiten Autonomen“ (zur Erklärung: Das sind die, die von manchen Medien als „wahre Teufel“ bezeichnet werden, wenn sie ein paar Autos anzünden).
Und es war auch nicht die gute alte „Gewalt von links und rechts“ (das ist die, die immer verurteilt wird, wenn Nazis Menschen ermorden).
Aber wenn mehrere hundert Leute eine Innenstadt zerlegen und sich Straßenschlachten mit der Polizei liefern, dann gibt es dafür tiefer liegende Gründe, und die sind sowas von politisch.
Das nicht sehen zu wollen, zeigt, a) dass man sich für die wahren Ursachen solcher Phänomene nicht interessiert. Oder b) dass man auf gar keinen Fall drüber reden will.
Und richtig: Nur wenige Stunden nach der ganzen Aktion weiß der rechte, deutsche Internet-Otto vermeintlich schon Bescheid: Schuld haben die Migranten, die sich einfach nicht benehmen können. Wer sonst.
Es zeichnet sich also deutlich ab, auf welcher Ebene sich die Debatte leider zum Großteil abspielen wird bzw. abspielt, denn sie hat ja längst angefangen.
Mir persönlich graut es vor den nächsten Tagen (Wochen?) voller rassistischer Diskussionsbeiträge auf sämtlichen Kanälen.
Hoffentlich überlagert das dreckige, dumme Gerede über „kriminelle Ausländer“, das jetzt unvermeidlich kommt, nicht komplett die unbedingt nötige Auseinandersetzung mit der Frage: Woran hats gelegen?
Denn wenn man diese Diskussion ernsthaft und unvoreingenommen führt, lassen sich daraus sicher echte Erkenntnisse gewinnen. Aber das muss man natürlich auch wollen.
Und ich bin sehr gespannt darauf, wie die Frage nach den Ursachen unpolitisch beantwortet werden soll. Ohne beträchtliche intellektuelle Verrenkungen und/oder monströse Ignoranz wird das nämlich nicht möglich sein.