Kolumne Abenteuer Atmung
Heute habe ich im Internet gelesen, dass antirassistische Demonstrant*innen in der englischen Stadt Bristol die Statue eines Sklavenhändlers aus dem 17. Jahrhundert ins Hafenbecken geschmissen haben. Das war keine friedliche Aktion. Trotzdem eine gute, wie ich finde.
Und ich denke, wir sollten uns in Deutschland ein Beispiel daran nehmen und auch mal ein paar Statuen versenken. Oder einschmelzen, zertrümmern, was weiß ich. Je nach Material.
Natürlich habe ich schon ein paar im Auge. Anfangen könnten wir mit dem großen Philosophen Immanuel Kant. Er hat viele angeblich fantastische Dinge aufgeschrieben. Ob sie wirklich so genial sind, weiß ich nicht, ich kapiere nichts davon.
Aber manchmal hat der alte Immanuel sich auch sehr klar ausgedrückt. Zum Beispiel in diesem Satz: „Die Menschheit ist in ihrer höchsten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen.“ So spricht ein rassistisches Arschloch.
Ich höre Leute sagen: „Ja meine Güte, das war halt damals so.“ Okay, aber dann war es halt damals scheiße.
Kant hatte bestimmt auch viele gute Gedanken, auch wenn ich zu doof bin, um sie nachzuvollziehen. Dann beschäftiget euch eben damit und lernet, ihr Philosoph*innen des 21. Jahrhunderts.
Aber entfernt zuerst die Statuen von diesem frühen Agenten der White Supremacy vom Angesicht der Erde. Zeit für differenzierte Betrachtung statt öffentlicher Huldigung.
Der nächste Typ, dem es symbolisch an den Kragen geht, ist Reformationshaubitze Martin Luther. Der war nämlich glühender Antisemit. Er wollte die Häuser von jüdischen Mitbürger*innen „mit Feuer anstecken und was nicht verbrennen will, mit Erden beschütten, dass kein Mensch ein Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich.“
Komisch, davon war im Geschichtsunterricht keine Rede. Martin Luther wurde uns immer als geiler Rebell verkauft, der irgendwie mit der katholischen Scheinheiligkeit aufgeräumt habe. Meiner Meinung nach ein ziemliches Sackgesicht.
Das war halt damals so? Mir doch egal. In den Müll mit seiner Visage! Aber das bleibt wohl ein unfrommer Wunsch: Erst 2018 wurde der Reformationstag in vier deutschen Bundesländern zum gesetzlichen Feiertag erklärt.
Nummer drei, und mit ihm soll es für heute gut sein, ist der große Europäer Helmut Kohl, verstorbener Kanzler der deutschen Einheit. Der hatte 1982 den Plan, die Zahl der in Deutschland lebenden Türk*innen auf die Hälfte zu reduzieren. (Spoiler: Es haute nicht hin.)
„Das war halt damals…“ Jaja.
Sowas kann man sich heute als CDU-Politiker zwar noch wünschen, und ich bin überzeugt, dass viele das auch tun. Aber laut aussprechen sollte man es lieber nicht, sonst gefährdet man nämlich seine politische Laufbahn.
Es sei denn, man ist cool damit, im Bundestag ganz rechts in der blau-braunen Ecke zu sitzen, bei Alexander und den anderen Faschos. Bäh.
Einen Bonus gibt es doch noch obendrauf, weil es gerade so gut passt: Es gab da mal einen Osnabrücker Juristen namens Hans Calmeyer. Er war zur Nazizeit in den Niederlanden tätig und half entscheidend dabei mit, tausende Jüdinnen und Juden zu retten, indem er ihnen den Arier-Stempel besorgte.
Sehr gut finden das nicht nur wir, sondern auch die Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem.
Für seine guten Taten will die Stadt Osnabrück jetzt ein Museum nach ihm benennen. Und ihr habt es euch schon gedacht: Ich halte das für eine schlechte Idee. Denn Calmeyer war immer noch ein hochrangiger Nazifunktionär, und nach solchen Leuten benennt man um Gottes Willen keine Museen.
Meine Fresse, dass man das überhaupt sagen muss.
Nennt das Museum doch lieber „Haus der höchst zwiespältigen Persönlichkeiten“. Und da kommen sie dann alle rein.